Pflegeeltern, die sich kümmern, wenn es die leiblichen Eltern nicht können: für Larissa ein Glücksfall

Larissa* kennt ihre Geschichte, weiß, dass sie als Kind einer Alkoholikerin mit den dafür typischen schweren Schädigungen zur Welt kam und deswegen nach ihrer Geburt zunächst im Krankenhaus bleiben musste. Zu ihren suchtkranken Eltern kam das Mädchen damals nicht mehr zurück, das Jugendamt bemühte sich um Pflegeeltern. Larissa, die an dem fetalem Alkoholsyndrom litt, hatte Glück im Unglück, denn sie konnte vom Kreisjugendamt zu Pflegeeltern vermittelt werden. Heute ist die 15jährige zwar von zarter Statur, doch körperlich und geistig gesund. Sie ist glücklich und fühlt sich bei ihren Pflegeeltern geborgen und geliebt. 

Und ihren Pflegeeltern hat sie es auch zu verdanken, dass es ihr heute so gut geht. Denn einfach war die erste Zeit mit dem kranken Kind keinesfalls, erinnert sich ihre Pflegemutter. Jeden Tag fuhr sie in die Kinderklinik, nachdem sie vom Amt gefragt worden war, ob sie bereit sei, sich um das behinderte Kind zu kümmern. Obwohl die gelernte Krankenschwester durch ihre Ausbildung wusste, was sie erwartete, nahm sich das kinderlose Paar gerne des Kindes an. „Sie haben sie mir in den Arm gelegt und sie war von der ersten Sekunde an mein Kind – so wie wenn man sich spontan verliebt“, erzählt Larissas Pflegemutter leise. Bereits im Krankenhaus verbrachte sie die ersten Wochen mit dem ihr anvertrauten winzigen Schützling. „Ich sehnte den Tag herbei, an dem Larissa endlich nach Hause kam“, erklärt sie – und wundert sich im Rückblick ein wenig, wie sie die ersten Monate mit dem extrem pflegeintensiven Kind damals überhaupt bewältigte: Acht Mal am Tag musste Larissa gefüttert werden, eine zeit- und nervenaufreibende Prozedur, da der herzkranke Säugling keinen Saug- und Schluckreflex hatte. Zusätzlich bestimmten Babymassagen, Krankengymnastik, Arztbesuche und die zahlreichen Behördenkontakte den Zeitplan der Pflegemutter.

Bis Larissa in die Schule kam, hatte das schmächtige Kind, das im Wuchs eher einer Vierjährigen glich, jedoch bereits große Fortschritte gemacht: Sie lernte, selbständig zu essen und das Essen auch zu genießen, entwickelte sich motorisch und geistig normal und auch ihr Herzfehler verschwand: „Liebe heilt Herzen“ kommentierte der behandelnde Arzt, als er den erleichterten Pflegeeltern mitteilen konnte, dass sich der angeborene Herzfehler verwachsen hatte.

Den Kontakt mit Larissas leiblichen Eltern hielt die Familie aufrecht, so dass mit der Zeit auch ein freundschaftliches Verhältnis entstehen konnte. Sicherlich auch, weil die leiblichen Eltern es gutheißen konnten, dass ihre Tochter in einer Pflegestelle aufwuchs.

Doch als ihre Eltern sieht Larissa ihre Pflegeeltern an, vermisst ihre leiblichen Eltern nicht. „Ich habe alles, was ich brauche, um glücklich zu sein“, meint sie schlicht und erzählt dann, wie sie sich vor einiger Zeit bei dem für sie zuständigen Mitarbeiter des Kreisjugendamtes dafür bedankt hatte, dass er sie bei ihren Pflegeeltern untergebracht hat. „Larissa hat ein Urvertrauen zu uns geschlossen, das ist etwas, was viele Pflegekinder nicht finden“, meint ihre Pflegemutter nachdenklich und fügt hinzu: „Je früher das Kind in eine Pflegefamilie kommt, desto besser ist es für die Kinder.“ Denn nach Larissa hat das Paar zwei weitere Pflegekinder aufgenommen, die bereits 5 und 14 Jahre alt waren. Auch sie haben ein gutes, aber doch distanzierteres Verhältnis als Larissa zu ihren Pflegeeltern. „Aber wir haben keinen Tag bei keinem der Kinder bisher bereut“, fasst die Pflegemutter bewegt zusammen. „Es war nicht immer einfach, aber es hat sich gelohnt“. Das bestätigt auch ihr Mann, denn die Entscheidung, Pflegekinder aufzunehmen, war immer eine gemeinsame.

Dass sie Pflegekinder sind, wissen Larissa und ihre Geschwister von Anfang an. „Ich wollte, dass das etwas ganz selbstverständliches ist“, meint ihre Pflegemutter. Und bis auf wenige Ausnahmen war es das auch in der Familie und im Bekanntenkreis. Nur in der Schule musste Larissa einmal verletzende Worte eines Klassenkameraden anhören, worauf die Lehrerin jedoch sofort entsprechend reagierte.

Dass für Larissa die Aufnahme in der Pflegefamilie ein Glücksfall war, zeigt sich heute an dem ganz normalen Leben, das sie führt. Der sympathische Teenager hat einen festen Freund, liebt es, im See Schwimmen zu gehen und trifft sich gerne mit ihren Freundinnen. Später möchte Larissa Bürokauffrau werden, „oder etwas im Krankenhaus“, überlegt sie laut. Eine Familie gründen möchte sie auch, doch so genau festlegen will sie sich noch nicht: „Jetzt bin ich erst einmal jung und genieße das. Später ist immer noch Zeit für ein eigenes Kind – und vielleicht hole ich mir dann noch ein zweites übers Jugendamt.“

*Name geändert

Aus der Bereitschaftspflege wurden sieben Pflegekinder

Die eigene Kinderlosigkeit brachte Ehepaar Herber vor mittlerweile mehr als 20 Jahren dazu, über die Aufnahme von Pflegekindern nachzudenken. Ein Entscheidungsprozess, für den sich Kurt Herber sieben Jahre Zeit ließ. Auch über Adoption hatten sie sich informiert. „Uns war von Anfang an klar, dass Pflege anders ist“, erinnert sich Petra Herber, die sich mit ihrem Mann schließlich dazu entschloss, Pflegeeltern zu werden. Und dann ging alles auch ganz schnell, erinnert sie sich schmunzelnd. Noch während der Vorbereitungszeit bat sie das Kreisjugendamt um die kurzfristige Aufnahme eines 7jährigen Mädchens, das drei Wochen später einen Heimplatz bekommen sollte. Doch die kleine Dorothea* fasste so schnell Vertrauen zu den Herbers, dass niemand mehr von einer Heimunterbringung sprach und das Kind bei ihnen blieb.

„Ich brauche eine Schwester“, beschloss das aufgeweckte Mädchen nur wenige Wochen später selbstbewusst. Ein Wunsch, den ihre Pflegeeltern mit ihr teilten und so kam bald darauf die dreijährige Julia in die Familie und kurz darauf auch das Baby Jonas. „Er sollte in eine Dauerpflegestelle vermittelt werden, doch weil man bei ihm eine Behinderung vermutete, fand sich keine Familie.“ Ahnungslos, was eine Behinderung für sie und ihre Familie bedeutet hätte, übernahm sie mit ihrem Mann schließlich auch die Verantwortung für das liebenswerte Kind. „Bis auf eine schwere Operation, die er sehr gut überstand, ist er körperlich und geistig kerngesund – und macht im nächsten Jahr seinen Real­schul­abschluss“, erzählt sie stolz.

Die so unerwartet schnell groß gewordene Familie nahm einige Jahre später zwei weitere Kinder auf, die jedoch aufgrund ihrer schweren Erkrankungen nicht auf Dauer in der Familie bleiben konnten. Eine Entscheidung, die den Herbers nicht leicht fiel, „aber sie war zum Wohle aller“, stellt sie im Nachhinein nachdenklich fest.

Kinder bestimmen nun das Leben der Herbers. Denn die Familie hat auch immer wieder „Gäste“, wie es Petra Herber gerne formuliert: Sie und ihr Mann stellen sich für Notpflege zur Verfügung. Das heißt, das Jugendamt kann bei ihnen anfragen, wenn ein Kind kurzfristig eine Betreuung benötigt. “So kam Michael in unsere Familie“, erzählt die engagierte Dipl. Agraringenieurin von ihrem zweitjüngsten Kind. Da sich keine Dauerpflegestelle für ihn fand, sollte er in ein Heim, worauf die Familie beschloss, dass Michael auf Dauer bleiben sollte. „Er hat sich bei uns hineingelächelt“, erinnert sie sich lachend. Ähnlich kam dann Nesthäkchen Lena noch dazu – das letzte Kind in Dauerpflege, ist sich das kinderliebe Ehepaar sicher.

Ihre vielen Kinder haben das Ehepaar auch mit vielen Herkunftsgeschichten und Schicksalen in Berührung gebracht. Denn da Pflegekinder nie ohne Grund aus ihren Familien herausgeholt werden, haben auch die Kinder der Familie Herber ganz unterschiedliche traumatische Erfahrungen gemacht, Misshandlungen und Vernachlässi­gun­gen erlitten. „Wir haben uns beraten lassen, denn da braucht man einfach Hilfe von außen“, sagt die erfahrene Pflegemutter. Eine Einstellung, die von den Betreuerinnen des Jugendamtes sehr befürwortet wird. Durch die Vermittlung entsprechender Beratungsstellen unterstützen sie die Familie und haben immer ein offenes Ohr für ihre Nöte. „Alle unsere Kinder haben ein sehr gutes Verhältnis zu den für sie zuständigen Mitarbeiterinnen beim Landkreis Gießen“, schmunzelt Petra Herber, die sehr offen mit dem Thema Pflegekinder und deren traumatischen Erfahrungen umgeht. Sie kennt ihre eigenen Grenzen mittlerweile sehr genau, und scheut sich auch nicht, die Hilfe von Fachkräften in Anspruch zu nehmen. „Als Pflegemutter sollte man um Hilfe bitten können“, empfiehlt sie, „im eigenen wie auch im Interesse der Kinder.“

*Namen der Kinder geändert

Pflegeeltern benötigen viel Toleranz gegenüber der Herkunftsfamilie

Wenn Sophie* von ihrer Bauchmama spricht, dann ist damit nicht Eva P.* gemeint, bei der Sophie seit ihrem zweiten Lebensjahr lebt: Die fröhliche Neunjährige ist ein Pflegekind, das wegen der Drogenprobleme ihrer Eltern von Familie P. als Vollzeit-Pflegekind aufgenommen wurde. Hier hat Sophie eine zweite Mama gefunden, die sie auch ganz selbstverständlich so nennt. Und es ist der Kooperationsbereitschaft ihrer Pflegemutter zu verdanken, dass das Mädchen wieder einen guten Kontakt zu ihrer leiblichen Mutter hat und sich auf die Besuche bei ihrer „Bauchmama“ freut.

„Wir wollten gerne Kinder im Haus haben“, beschreibt die 48jährigen Eva P. ihre Motivation, wieso sie vor knapp acht Jahren gemeinsam mit ihrem Mann ihr erstes Pflegekind aufnahm. Diese Entscheidung hat bis heute ihr Leben bereichert, denn die beiden Kinder, die nun bei ihr und ihrem Mann leben, sind wie ihre eigenen, nennen sie „Mama“ und „Papa“. Dennoch ist sich Frau P. klar, dass ihre Aufgaben als Pflegemutter weit reichender sind. Denn Pflegekindern kommen nicht unbelastet in ihre neuen Familien. Sie haben eigene Herkunftsfamilien und häufig schon Schlimmes erlebt: Belastungen, die die neue Familie zu spüren bekommt und aushalten können muss.

Trotzdem möchte das Jugendamt dem Kind die Verbindung zur Familie möglichst erhalten. „Die Beziehung zu den leiblichen Eltern wird von uns sehr gefördert, und wir erwarten auch von den Pflegeeltern, dass sie ihren Pflegekindern diesen Kontakt ermöglichen“, betont Britta Wendischhoff, die im Landkreis für die Schulung von Pflegepersonen zuständig ist. „Denn das Pflegekind hat ein Recht darauf, seine leiblichen Eltern zu sehen.“

Kontakt zu den leiblichen Eltern erwünscht

Mit ihren beiden Pflegekindern hat Eva P. in dieser Hinsicht ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Während die leibliche Mutter von Sophie froh über die neue Familie ihrer Tochter ist und die regelmäßigen Besuche ihrer Tochter liebevoll vorbereitet, herrscht im Kontakt mit der Mutter von Niklas*, Sophies kleinem Bruder, zurzeit Funkstille.

„Mehrmals hat sie die verabredeten Kontakte mit ihrem Sohn kurzfristig abgesagt, dann plötzlich über das Gericht die Rückführung des Jungen beantragt und diesen Antrag später wieder zurückgezogen“, erzählt Eva P. sachlich, und sehr um Zurückhaltung bemüht. Denn auch wenn Niklas bei diesem ganzen Hin und Her nur von den abgesagten Besuchen weiß, so bekommen die Kinder doch mehr mit, als man denkt, weiß die erfahrene Pflegemutter. „Erschwerend kommt hinzu, dass Niklas’ Mutter bei Kontakten noch nie Muttergefühle gezeigt hat, ihn weder in den Arm genommen noch geknuddelt hat“, bedauert sie. Sie und ihr Mann versuchen, Niklas in dieser Situation so viel Geborgenheit und Sicherheit zu vermitteln, wie ihnen möglich ist.

„Der Kontakt zu Sophies leiblicher Mutter ist sehr herzlich“, freut sich Eva P. dagegen über das gute Verhältnis zu der jungen Frau, „sie gibt ihrem Kind ganz viel Liebe“. Es gibt regelmäßige Besuche, Sophie telefoniert mit ihrer Mutter und sie erhält von ihr Postkarten. „Sie schreibt immer auch ein paar Zeilen an Sophies neuen Bruder Niklas dazu“, lächelt Eva P. dankbar. Auch Sophies leibliche Mutter ist froh über Sophies Pflegefamilie, denn sie ermöglicht ihrer Tochter ein Leben in der Geborgenheit einer intakten Familie, das sie ihr nicht geben kann.

Pflegekinder sind Kinder auf Zeit

Rein rechtlich gesehen sind Pflegekinder jedoch Kinder auf Zeit. Denn wenn es den leiblichen Eltern gelingt, ihre Lebenssituation zu stabilisieren, sollen die Kinder möglichst wieder in ihre Herkunfts­familien zurückkehren können, betont das Jugendamt. Dieses Wissen kostet die Pflegeeltern immer wieder viel Kraft, bekennt Frau P., die festgestellt hat, dass diese Kinder gerade Kontinuität und Sicherheit brauchen. „Aber wenn ich weiß, dass es dem Kind bei seiner leiblichen Mutter wieder gut geht, dann ist das für mich in Ordnung“, erklärt sie.

Problematisch findet sie diese Ungewissheit für die Kinder und erzählt, wie sie und ihr Mann nach Sophie einen wenige Monate alten Säugling in Pflege nahmen, den das Mädchen herzlich in Empfang nahm. „Doch nach vier Monaten kam er wieder zu seiner Herkunftsfamilie, was nicht vorauszusehen war“, beschreibt Eva P. nüchtern eine Trennung, die dem Ehepaar sehr schwer fiel. „Davon abgesehen, wie es uns ging – bei Sophie ist da ganz viel im Kopf vorgegangen und sie hat uns gefragt: muss ich jetzt auch weg?“, beschreibt sie diese schwierige Zeit. „Versprechen, dass sie immer bei uns bleiben darf, können wir unserer Pflegetochter nicht“, bedauert Eva P. und fügt hinzu: „Ich kann ihr nur immer wieder sagen, dass wir sie und ihren Bruder sehr lieb haben, und immer für sie da sein werden.“

Watanabes aus Staufenberg sind seit 15 Jahren Bereitschaftspflegeeltern

Wenn Fujio Watanabe nach der Arbeit nach Hause kommt, dann kann es schon einmal vorkommen, dass ein fremdes Kind mit am Küchentisch der sechsköpfigen Familie sitzt. Denn Watanabes sind Bereitschafts­pflegeeltern – sie kümmern sich um Kinder, die kurzfristig ein Heim benötigen. Einige Tage, Wochen, längstens jedoch ein Vierteljahr bleibt das Kind dann in der Familie, erhält neben Kost und Logis viel Zuwendung und Liebe. „So lange die Kinder hier bei uns sind, behandeln wir sie wie unsere eigenen“, sagt Vera Watanabe und hat wenig Scheu vor dem Umgang mit den fremden Kindern. „Doch bei jeder einzelnen Entscheidung, ein Kind aufzunehmen, steht immer das Wohl unserer eigenen Kinder im Vordergrund. Wenn also das Jugendamt anruft und um die Aufnahme eines Kind bittet, entscheiden wir gemeinsam, ob es gerade passt.“

Gepasst hat es in den letzten Jahren schon beinahe 50mal – so oft nämlich nahmen sich die Watanabes in Staufenberg eines Kindes an, das kurzzeitig ein Zuhause benötigte. Darüber sind die Mitarbeiterinnen beim Kreisjugendamt sehr dankbar, denn für sie ist es nicht immer leicht, eine passende Unterbringung für Kinder zu finden, deren Eltern sich gerade nicht ausreichend um sie kümmern können. Für Watanabes ist es eine Selbstverständlichkeit, zu helfen, wo Not ist. Sie tun es gerne – sagen aber auch einmal Nein, wenn es gerade nicht in die Lebenssituation der Familie passt.

Doch warum widmen sie und ihr Mann sich schon so lange und mit viel innerer Überzeugung dieser verantwortungsvollen Aufgabe? „Wir haben viel Platz – und wir sind Lebensrechtler, setzen uns für das ungeborene Leben ein“, holt Vera Watanabe ein wenig aus. Vor rund 15 Jahren wurden sie in diesem Zusammenhang mit der Frage konfrontiert, was sie für die Lebenden tun – eine Aufforderung, Verantwortung zu übernehmen, der sich das engagierte Ehepaar stellte. Sie nahmen zunächst den 15jährigen Sohn eines deutschen Paares auf, das im Ausland im Missionsdienst tätig war. So konnte er in Deutschland seine Schulausbildung abschließen. Angespornt durch die gute Erfahrung mit dem Kreisjugendamt, das ihnen bei diesem privaten Pflegekind mit viel Rat zur Seite stand, bewarben sie sich anschließend als Bereitschaftspflegeeltern beim Kreis. Über die Zusammenarbeit mit dem Amt sind die Watanabes auch heute noch voll des Lobes, auch wenn die Formalitäten zunächst abschreckend auf sie wirkten.

„Doch es erweitert und bereichert das Leben ungeheuerlich, wenn man seine Tür aufmacht“, erinnern sie und ihr Mann sich schmunzelnd an viele kleine Anekdoten aus dem Zusammenleben mit ihren verschiedenen kleinen Gästen. Besonders eingeprägt haben sich ihnen auch die wenigen Tage, in denen sie einen schwer misshandelten Säugling in Pflege hatten, der auf keinerlei Reize reagierte. Doch nach zwei Tagen in der Familie, die ihm viel Zuwendung und Körperkontakt gab, begann das bislang teilnahmslose Kind zu reagieren und sich zu äußern. Diese positive Entwicklung setzte sich dann bei der Familie fort, die das Kind kurz darauf in Dauerpflege nahm und sich sehr um das Kind bemühte, weiß Vera Watanabe. „Meine volle Hochachtung, was die Pflegeeltern da geschafft haben – da geht uns immer das Herz auf, wenn wir ihn heute wieder sehen.“

„Wir haben die Kinder nicht um unsretwillen, sondern weil wir den Bedarf sehen“

Für die Kinder, denen sie bislang schon ein Heim geboten haben, sehen sie sich selbst nur als Übergangslösung. „Wir haben vier eigene Kinder“, begründet Vera Watanabe, weshalb ihnen die Trennung von den Kindern immer wieder gelingt. Dies vor allem, wenn das Kind wieder in seine Familie zurückkehren kann. „Wenn ein Kind in eine Dauerpflegestelle kommt, ist es schön, wenn man sieht, wie ihr Leben weiter verläuft“, meint Fujio Watanabe.

„Und das wirklich Tolle ist“, berichtet Vera Watanabe schließlich noch lebhaft, „dass sich unsere älteste Tochter in ihrem jetzigen Wohnort nun selbst als Pflegemutter für Kurzzeitpflege gemeldet hat.“ Darauf sind sie und ihr Mann sichtlich stolz und es bestätigt ihnen, mit der Bereitschaftspflege die eigene Familie nicht überfordert zu haben: „Es ist schön zu sehen, dass unsere Kinder das für gut befunden haben und nun selbst in ihr Leben übernehmen.“