Pflegeeltern benötigen viel Toleranz gegenüber der Herkunftsfamilie

Wenn Sophie* von ihrer Bauchmama spricht, dann ist damit nicht Eva P.* gemeint, bei der Sophie seit ihrem zweiten Lebensjahr lebt: Die fröhliche Neunjährige ist ein Pflegekind, das wegen der Drogenprobleme ihrer Eltern von Familie P. als Vollzeit-Pflegekind aufgenommen wurde. Hier hat Sophie eine zweite Mama gefunden, die sie auch ganz selbstverständlich so nennt. Und es ist der Kooperationsbereitschaft ihrer Pflegemutter zu verdanken, dass das Mädchen wieder einen guten Kontakt zu ihrer leiblichen Mutter hat und sich auf die Besuche bei ihrer „Bauchmama“ freut.

„Wir wollten gerne Kinder im Haus haben“, beschreibt die 48jährigen Eva P. ihre Motivation, wieso sie vor knapp acht Jahren gemeinsam mit ihrem Mann ihr erstes Pflegekind aufnahm. Diese Entscheidung hat bis heute ihr Leben bereichert, denn die beiden Kinder, die nun bei ihr und ihrem Mann leben, sind wie ihre eigenen, nennen sie „Mama“ und „Papa“. Dennoch ist sich Frau P. klar, dass ihre Aufgaben als Pflegemutter weit reichender sind. Denn Pflegekindern kommen nicht unbelastet in ihre neuen Familien. Sie haben eigene Herkunftsfamilien und häufig schon Schlimmes erlebt: Belastungen, die die neue Familie zu spüren bekommt und aushalten können muss.

Trotzdem möchte das Jugendamt dem Kind die Verbindung zur Familie möglichst erhalten. „Die Beziehung zu den leiblichen Eltern wird von uns sehr gefördert, und wir erwarten auch von den Pflegeeltern, dass sie ihren Pflegekindern diesen Kontakt ermöglichen“, betont Britta Wendischhoff, die im Landkreis für die Schulung von Pflegepersonen zuständig ist. „Denn das Pflegekind hat ein Recht darauf, seine leiblichen Eltern zu sehen.“

Kontakt zu den leiblichen Eltern erwünscht

Mit ihren beiden Pflegekindern hat Eva P. in dieser Hinsicht ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Während die leibliche Mutter von Sophie froh über die neue Familie ihrer Tochter ist und die regelmäßigen Besuche ihrer Tochter liebevoll vorbereitet, herrscht im Kontakt mit der Mutter von Niklas*, Sophies kleinem Bruder, zurzeit Funkstille.

„Mehrmals hat sie die verabredeten Kontakte mit ihrem Sohn kurzfristig abgesagt, dann plötzlich über das Gericht die Rückführung des Jungen beantragt und diesen Antrag später wieder zurückgezogen“, erzählt Eva P. sachlich, und sehr um Zurückhaltung bemüht. Denn auch wenn Niklas bei diesem ganzen Hin und Her nur von den abgesagten Besuchen weiß, so bekommen die Kinder doch mehr mit, als man denkt, weiß die erfahrene Pflegemutter. „Erschwerend kommt hinzu, dass Niklas’ Mutter bei Kontakten noch nie Muttergefühle gezeigt hat, ihn weder in den Arm genommen noch geknuddelt hat“, bedauert sie. Sie und ihr Mann versuchen, Niklas in dieser Situation so viel Geborgenheit und Sicherheit zu vermitteln, wie ihnen möglich ist.

„Der Kontakt zu Sophies leiblicher Mutter ist sehr herzlich“, freut sich Eva P. dagegen über das gute Verhältnis zu der jungen Frau, „sie gibt ihrem Kind ganz viel Liebe“. Es gibt regelmäßige Besuche, Sophie telefoniert mit ihrer Mutter und sie erhält von ihr Postkarten. „Sie schreibt immer auch ein paar Zeilen an Sophies neuen Bruder Niklas dazu“, lächelt Eva P. dankbar. Auch Sophies leibliche Mutter ist froh über Sophies Pflegefamilie, denn sie ermöglicht ihrer Tochter ein Leben in der Geborgenheit einer intakten Familie, das sie ihr nicht geben kann.

Pflegekinder sind Kinder auf Zeit

Rein rechtlich gesehen sind Pflegekinder jedoch Kinder auf Zeit. Denn wenn es den leiblichen Eltern gelingt, ihre Lebenssituation zu stabilisieren, sollen die Kinder möglichst wieder in ihre Herkunfts­familien zurückkehren können, betont das Jugendamt. Dieses Wissen kostet die Pflegeeltern immer wieder viel Kraft, bekennt Frau P., die festgestellt hat, dass diese Kinder gerade Kontinuität und Sicherheit brauchen. „Aber wenn ich weiß, dass es dem Kind bei seiner leiblichen Mutter wieder gut geht, dann ist das für mich in Ordnung“, erklärt sie.

Problematisch findet sie diese Ungewissheit für die Kinder und erzählt, wie sie und ihr Mann nach Sophie einen wenige Monate alten Säugling in Pflege nahmen, den das Mädchen herzlich in Empfang nahm. „Doch nach vier Monaten kam er wieder zu seiner Herkunftsfamilie, was nicht vorauszusehen war“, beschreibt Eva P. nüchtern eine Trennung, die dem Ehepaar sehr schwer fiel. „Davon abgesehen, wie es uns ging – bei Sophie ist da ganz viel im Kopf vorgegangen und sie hat uns gefragt: muss ich jetzt auch weg?“, beschreibt sie diese schwierige Zeit. „Versprechen, dass sie immer bei uns bleiben darf, können wir unserer Pflegetochter nicht“, bedauert Eva P. und fügt hinzu: „Ich kann ihr nur immer wieder sagen, dass wir sie und ihren Bruder sehr lieb haben, und immer für sie da sein werden.“