Aus der Bereitschaftspflege wurden sieben Pflegekinder

Die eigene Kinderlosigkeit brachte Ehepaar Herber vor mittlerweile mehr als 20 Jahren dazu, über die Aufnahme von Pflegekindern nachzudenken. Ein Entscheidungsprozess, für den sich Kurt Herber sieben Jahre Zeit ließ. Auch über Adoption hatten sie sich informiert. „Uns war von Anfang an klar, dass Pflege anders ist“, erinnert sich Petra Herber, die sich mit ihrem Mann schließlich dazu entschloss, Pflegeeltern zu werden. Und dann ging alles auch ganz schnell, erinnert sie sich schmunzelnd. Noch während der Vorbereitungszeit bat sie das Kreisjugendamt um die kurzfristige Aufnahme eines 7jährigen Mädchens, das drei Wochen später einen Heimplatz bekommen sollte. Doch die kleine Dorothea* fasste so schnell Vertrauen zu den Herbers, dass niemand mehr von einer Heimunterbringung sprach und das Kind bei ihnen blieb.

„Ich brauche eine Schwester“, beschloss das aufgeweckte Mädchen nur wenige Wochen später selbstbewusst. Ein Wunsch, den ihre Pflegeeltern mit ihr teilten und so kam bald darauf die dreijährige Julia in die Familie und kurz darauf auch das Baby Jonas. „Er sollte in eine Dauerpflegestelle vermittelt werden, doch weil man bei ihm eine Behinderung vermutete, fand sich keine Familie.“ Ahnungslos, was eine Behinderung für sie und ihre Familie bedeutet hätte, übernahm sie mit ihrem Mann schließlich auch die Verantwortung für das liebenswerte Kind. „Bis auf eine schwere Operation, die er sehr gut überstand, ist er körperlich und geistig kerngesund – und macht im nächsten Jahr seinen Real­schul­abschluss“, erzählt sie stolz.

Die so unerwartet schnell groß gewordene Familie nahm einige Jahre später zwei weitere Kinder auf, die jedoch aufgrund ihrer schweren Erkrankungen nicht auf Dauer in der Familie bleiben konnten. Eine Entscheidung, die den Herbers nicht leicht fiel, „aber sie war zum Wohle aller“, stellt sie im Nachhinein nachdenklich fest.

Kinder bestimmen nun das Leben der Herbers. Denn die Familie hat auch immer wieder „Gäste“, wie es Petra Herber gerne formuliert: Sie und ihr Mann stellen sich für Notpflege zur Verfügung. Das heißt, das Jugendamt kann bei ihnen anfragen, wenn ein Kind kurzfristig eine Betreuung benötigt. “So kam Michael in unsere Familie“, erzählt die engagierte Dipl. Agraringenieurin von ihrem zweitjüngsten Kind. Da sich keine Dauerpflegestelle für ihn fand, sollte er in ein Heim, worauf die Familie beschloss, dass Michael auf Dauer bleiben sollte. „Er hat sich bei uns hineingelächelt“, erinnert sie sich lachend. Ähnlich kam dann Nesthäkchen Lena noch dazu – das letzte Kind in Dauerpflege, ist sich das kinderliebe Ehepaar sicher.

Ihre vielen Kinder haben das Ehepaar auch mit vielen Herkunftsgeschichten und Schicksalen in Berührung gebracht. Denn da Pflegekinder nie ohne Grund aus ihren Familien herausgeholt werden, haben auch die Kinder der Familie Herber ganz unterschiedliche traumatische Erfahrungen gemacht, Misshandlungen und Vernachlässi­gun­gen erlitten. „Wir haben uns beraten lassen, denn da braucht man einfach Hilfe von außen“, sagt die erfahrene Pflegemutter. Eine Einstellung, die von den Betreuerinnen des Jugendamtes sehr befürwortet wird. Durch die Vermittlung entsprechender Beratungsstellen unterstützen sie die Familie und haben immer ein offenes Ohr für ihre Nöte. „Alle unsere Kinder haben ein sehr gutes Verhältnis zu den für sie zuständigen Mitarbeiterinnen beim Landkreis Gießen“, schmunzelt Petra Herber, die sehr offen mit dem Thema Pflegekinder und deren traumatischen Erfahrungen umgeht. Sie kennt ihre eigenen Grenzen mittlerweile sehr genau, und scheut sich auch nicht, die Hilfe von Fachkräften in Anspruch zu nehmen. „Als Pflegemutter sollte man um Hilfe bitten können“, empfiehlt sie, „im eigenen wie auch im Interesse der Kinder.“

*Namen der Kinder geändert